Der Sünder vom Schankhaus

Der Sünder vom Schankhaus

Ein Gedicht aus einer anderen Zeit – und doch so nah an unserer.

O Tag, du kalter, klarer Schein,
der mich aus dumpfer Nacht befreit –
kein Krug, kein Schwanken, kein Gebrüll,
nur Leere… doch sie macht mich still.

Einst stand ich stolz, ein Mann mit Hand,
mit Weib und Kind, mit kleinem Land.
Ein Taler in der Tasche, fest –
doch lag er bald beim Wirt zu Gäst’.

Der Branntwein sprach mit sanfter Zung’:
„Vergiss die Welt, sei wieder jung.“
Ich trank, ich lachte, tobte wild –
das Herz vernebelt, das Aug’ verquillt.

Mein Weib verließ mich – lautlos, bang.
Mein Sohn, er sprach: „Du bist mir Schand’.“
Ich trank hinfort nicht mehr aus Lust,
nur noch aus Gram und welker Brust.

Die Zeche wuchs, mein Haus verfiel,
ich borgt' auf’s Brot, doch zahlte viel.
Ein Groschen für das letzte Fass –
und mit ihm fiel ich auf das Nass.

Dann kam ein Morgen, rau und neu,
mit leerem Bauch und Augen scheu.
Kein Tropfen da, kein letzter Rest –
nur Stille, die mich niederpresst.

Doch aus der Stille wuchs ein Wort:
„Steh auf, verlass den dunklen Ort.“

Ich ging, mein Blick war schwer wie Stein,
die Gassen laut – das Volk beim Wein.
Ich sah mich selbst in ihrem Torkeln –
und blieb doch fest auf meinen Forken.

Kein Polizist, kein Spruch, kein Rat,
nur meine Hand, die mich bewahrt.
Kein Helfer kam, kein Richter sprach –
ich war mein Halt – am Tag, bei Nacht.

Heut geh ich still durch jene Straßen,
seh Knechte lallen, Lippen blasen
ins letzte Horn des Abends hin –
und nicke: „Bruder, weiß wohin...“

Manch einer fragt, was mich bewog,
ich sag: „Ein Teufel, der mich log.“

Ich halt nun Wache, ungerufen,
für jeden, der noch muss versuchen.

Und wenn er fällt, ich heb ihn auf –
wie man es einst bei mir getan –
im Traum... vielleicht...

...oder auch nie.

Hintergrund:
Dieses Gedicht entstand aus einem intensiven Gespräch über Sucht, Entzug und menschliche Würde. Es ist fiktiv – und doch voller Wahrheit. Wer Trost sucht, möge zwischen den Zeilen lesen. Wer Mut braucht, findet ihn vielleicht genau hier.

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